Grundlagen Fernerkundung

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Der Begriff Fernerkundung bezeichnet die Gesamtheit der Verfahren zur Gewinnung von Informationen über die Erdoberfläche oder andere nicht direkt zugängliche Objekte durch Messung und Interpretation der von ihnen ausgehenden oder reflektierten elektromagnetischen oder Schallwellen.

Fernerkundung wird im Waldbereich zur Kartierung, Modellierung und für das Monitoring von Waldkomposition, -struktur und -dynamik eingesetzt und stellt wertvolle Grundlagen für die Waldplanung und das Waldmanagement bereit. Die Datengewinnung findet mittels Sensoren statt, die von Satelliten, Flugzeugen, Helikoptern oder Drohnen getragen werden. Dabei spielen die verschiedenen Fernerkundungsplattformen, Aufnahmesysteme und Sensoren sowie die eingesetzten Analysemethoden eine zentrale Rolle.

Fernerkundungsplattformen

Fernerkundungsplattformen und deren Aufnahmebereiche (Quelle: www.rezatec.com)

Es handelt sich um die Einheit, welche den Sensor trägt, also um Satelliten, Flugzeuge, Helikopter oder Drohnen. Der primäre Unterschied neben den Kosten ist die Distanz zur Erdoberfläche. Grundsätzlich nimmt die Auflösung der erfassten Daten mit zunehmender Distanz zur Erdoberfläche bzw. zunehmender Grösse des Ausschnitts ab (siehe Abb.). Die Aufnahme von grösseren Flächen in einer Befliegung kann dafür kostengünstiger sein, häufiger wiederholt werden und liefert für grosse Flächen homogene Daten (z.B. gleiche Beleuchtungsintensität).

Die verschiedenen Plattformen eignen sich dementsprechend für unterschiedliche Fragenstellungen. Mit Drohnen können z.B. sehr detaillierte Informationen für kleine Waldgebiete erhoben werden, sie sind jedoch für eine rasche Übersicht nach einem nationalen Sturmereignissen nicht geeignet. Vorlage:TOC limit


Aufnahmesysteme und Sensoren

Es wird zwischen aktiven und passiven Systemen unterschieden, wobei die passiven Systeme die reflektierte Sonnenstrahlung aufzeichnen, die aktiven Systeme dagegen selbst Mikrowellen- oder Laserstrahlen aussenden. Aktive Systeme wie LiDAR (Light Detection and Ranging) und Radar (Radio Detection and Ranging) sind grösstenteils unabhängig von Wetter und Sonnenstand, wobei passive Systeme (optische Sensoren) stark witterungsabhängig sind.

Mit den beiden Aufnahmesystemen können sehr unterschiedliche Informationen über den Wald erhoben werden. So liefern z.B. LiDAR-Daten detaillierte Informationen über die Vegetationshöhe, eignen sich aber nicht für Spektralanalysen (Blattfarbe, Vitalität etc.). Bei den passiven Systemen wird zwischen multispektralen (mehrere Bänder) und hyperspektralen Sensoren (mehrere hundert Bänder) unterschieden. Die verschiedenen spektralen Bereiche, z.B. Infrarot, liefern für Vegetationsanalysen wertvolle Informationen. Typischerweise werden multispektrale Sensoren mit 4 bis 13 Kanälen verwendet, wie dies bei diversen Luft- und Satellitenbildern (swissimage, Landsat, Sentinel-2) der Fall ist.

  • Optische Sensoren
  • LiDAR
  • Radar

Fernerkundungsprodukte

Was produziert Fernerkundung?

Abb.: Die wichtigsten Kriterien und Eigenschaften zur Beschreibung von Fernerkundungsdaten und deren Qualität.

Die folgenden vier Auflösungen beschreiben die wichtigsten Eigenschaften von Fernerkundungsdaten (siehe Abb. rechts):

  • räumliche Auflösung (Pixelgrösse, Punktdichte)
  • zeitliche Auflösung (Zeitdauer zwischen zwei Aufnahmen)
  • spektrale Auflösung (Anzahl spektraler Kanäle)
  • radiometrische Auflösung (unterscheidbare Graustufen, z.B. 8 Bit)

Je höher eine Auflösung, desto höher der Detaillierungsgrad. Die verschiedenen Auflösungen stehen in einem Trade-Off, das heisst, es können nicht alle Auflösungen gleichzeitig optimiert werden ohne Zusatzkosten. Dabei zählt nicht nur die Pixelgrösse bzw. die Punktdichte - für gewisse Anwendungen sind die Erfassung der zeitlichen Dynamik, die grossflächige Verfügbarkeit oder spezifische spektrale Informationen entscheidend. Zudem stellen räumlich hochaufgelöste Daten, obwohl sie für das menschliche Auge sehr gut interpretierbar sind, hohe Ansprüche an die Rechenleistung und sind eine Herausforderung für die automatische Auswertung.

Es existiert mittlerweile eine enorme Vielzahl von Fernerkundungsdaten. Nachfolgend wird eine Übersicht über die wichtigsten Datensätze und abgeleiteten Produkte für die Schweiz gegeben.

Luftbilder

Luftbilder > Die von einem Flugzeug aufgenommen Bilder haben eine lange Tradition – in der Schweiz zeigt dies das Archiv der Swisstopo18 deutlich, welches bis ins Jahr 1927 zurück reicht. Die hohe räumliche Auflösung (<50cm) eignet sich besonders für die visuelle Interpretation und wird seit längerem für die Ausscheidung der Waldfläche, von Bestandesgrenzen, zur Bestimmung des Baumtypen (Waser et al 2017) und zur Beurteilung der Vitalität (Oester Bernhard 1992) verwendet. Bei den neueren Datensätzen der Swisstopo (z.B. SWISSIMAGE RS19) wird neben RGB-Kanälen zusätzlich ein Kanal in für Vegetationsanalysen wichtigen nahen Infrarotbereich zur Verfügung gestellt. Alle drei Jahre, abwechselnd im Winter und Sommer, werden die Daten für die ganze Schweiz erfasst. Der neuste Datensatz von swisstopo, swissimage10, kommt in einer erhöhten räumlichen Auflösung von 10cm. Die Befliegung ist witterungsabhängig und es können nur kleine Ausschnitte auf einmal aufgenommen werden. Der schweizweite Datensatz setzt sich dementsprechend aus verschiedenen Aufnahmen zusammen (Flugperiode z.B. zwischen Frühling und Herbst; abhängig von Wetter und Gesamtplanung). Die Aktualität der Daten ist nicht für alle Anwendungen ausreichend bzw. bringt eine gewisse Unsicherheit mit sich. Gewisse Kantone (z.B. Kanton Luzern) führen zusätzlich separate Befliegungen durch. Automatische Klassifikationen und statistische Modelle zeigen eine hohes Potenzial, sind jedoch anspruchsvoll, benötigen Referenzdaten und die Übertragbarkeit auf grosse Gebiete ist, aufgrund der Topographie, aber auch durch die räumliche Heterogenität des Datensatzes, schwierig. Zwei waldspezifische, aus den Luftbildern abgeleitete Produkte stehen für die ganze Schweiz frei zur Verfügung: Waldmischungsgrad (Laubholzanteil in einer 25m Auflösung) und Vegetationshöhe (Kronenhöhenmodell, 1m Auflösung). Diese Daten wurden durch das LFI bereitgestellt.

  • Orthofotos

Satellitendaten

Satellitendaten > Die Verfügbarkeit von Satellitenbildern wie auch deren räumliche und zeitliche Auflösung hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Neben den frei verfügbaren Datensätzen (MODIS, Landsat, Sentinel etc.) gibt es immer mehr private Anbieter (DigitalGlobe, Planet Labs, …) mit teilweise extrem hoher räumlicher (WorlView4, 30cm) oder zeitlicher Auflösung (Planet, täglich). Die meisten Systeme verwenden multispektrale optische Sensoren, welche Informationen in 4-13 verschiedenen spektralen Regionen, meist im sichtbaren und im nahen bis kurzwelligen Infrarot, erfassen. Diese Spektralbereiche haben sich für die Vegetationsanalyse etabliert. Der Zusatznutzen von Hyperspektralsensoren mit mehreren 100 Kanälen hat dementsprechend für Anwendungen im Waldbereich zurzeit nur in spezifischen Fällen einen klaren Mehrwert hat (Ginzler & Waser 2017). Mit der verbesserten räumlichen und zeitlichen Auflösung von Satellitenmissionen der neuesten Generation wie Sentinel-2 (10-20m, alle 5 Tage, weltweit, frei verfügbar), wurden neue Perspektiven für Anwendungen im Waldbereich eröffnet (Weber et al 2018). Die räumliche Auflösung ist für viele Anwendungen ausreichend und die häufige Wiederholung der Aufnahmen erlaubt neben der Erkennung von abrupten Veränderungen auch die Analyse der jährlichen Vegetationsaktivität und langfristiger Trends.

LiDAR-Daten

Punktwolken / 3D Modelle > Mit diesem aktiven Fernerkundungssystem können, als grosser Vorteil zu den passiven optischen Systemen, detaillierte 3D-Informationen über den Wald, effizient und für grosse Flächen, erhoben werden. Die Aufnahme erfolgt meist mit Flugzeugen oder Helikoptern (engl. Airborne Laser Scanning, ALS). Mit LiDAR kann mindestens die Vegetationshöhe effizient und flächendeckend erfasst werden, mit einer Genauigkeit die traditionelle Felderhebungen übertrifft. Zusammen mit den technologischen Fortschritten, welche sich in der Zunahme von Genauigkeit und Detaillierungsgrad (Punktdichte, Full-waveform Systeme) wiederspiegelten, haben auch die Datenverfügbarkeit (z.B. kantonale Daten), die Anzahl wissenschaftlicher Studien und entwickelten Methoden für forstliche Anwendungen in den letzten 15 Jahren rasant zugenommen. LiDAR-Daten können mittlerweile als Standardformat in einem GIS eingelesen und verarbeitet werden. Die Zunahme der Rechenleistung von IT-Systemen und die Verfügbarkeit von diversen Tools vereinfachten die Visualisierung und Analyse von LiDAR-Punktwolken stark und machen die Daten zugänglich für die Praxis. Schweizweit (bis 2000 m) existiert zurzeit ein flächendeckender LiDAR-Datensatz aus den Jahren 2000-2008 (swissALTI3D Produktbeschrieb21), wobei aktuellere Daten in diversen Kantonen vorhanden sind. Die neue Messkampagne zur Beschaffung von LiDAR-Daten der swisstopo findet in verschiedenen Etappen verteilt auf die Jahre 2017 – 2022 statt. In der Praxis werden häufig Vegetationshöhenmodelle, welche mit relativ wenig Aufwand generiert werden können, verwendet. Dies vor allem zur Unterstützung bei der visuellen Interpretation und teilweise auch mit spezifischen halb- bis vollautomatischen Tools zur Erarbeitung von Bestandeskarten oder für Vorratsschätzungen. Die Punktedichte liegt zurzeit in den meisten Fällen bei ca. 20 Pkt./ m2 (Ginzler & Waser 2017), bessere Datensätze existieren (z.B. Kanton Neuenburg) und erweitern die Anwendungsmöglichkeiten (z.B. BHD-Bestimmung direkt aus der Punktwolke; Doktorarbeit von M. Parkan (2018)).

  • Ditigale Höhenmodelle (DSM, DTM, VHM)

Radar-Daten

Radar > Diese Daten werden mit satellitengestützten, aktiven Fernerkundungssystemen aufgenommen, indem Mikrowellen ausgesendet und die Intensität der Rückstreuung gemessen werden (engl. Synthetic Aperture Radar, SAR). Damit können in erster Linie Informationen über die Oberflächenrauhigkeit, aber auch über die Waldstruktur und die Bodenfeuchte erhoben werden. Ein Zusammenhang zwischen Biomasse und SAR-Daten wurde schon vor langem festgestellt (Le Toan et al 1992). SAR-Daten sind jedoch relativ komplex, brauchen viel Aufbereitungszeit und sind schwieriger zu interpretieren als klassische Bilddaten. Zudem sind Radardaten sensitiv auf diverse Umweltfaktoren, primär Bodenfeuchte und Schnee. Dies führt zu Unsicherheiten, welche zusammen mit dem generell hohen „Rauschen“ bzw. der beschränkten Datenqualität, eine Herausforderung darstellen. Dementsprechend ist die Nutzungsintensität im Waldbereich wesentlich tiefer als bei den Spektral- und LiDAR-Daten und in der Praxis finden sie noch kaum Verwendung. Ein Trend ist aber zurzeit spürbar, insbesondere aufgrund der neuen Satellitenmission Sentinel-1 (Fardusi et al 2017). Der grosse Vorteil dabei ist, dass Radardaten mehr oder weniger unabhängig von Wetter und Tageszeit verwendet werden können. Dies hat z.B. für die rasche Erfassung von Sturmschäden eine grosse Bedeutung und das hohe Potenzial konnte bereits aufgezeigt werden (Rüetschi et al 2019).

Fernerkundung in der Waldwirtschaft

Was bringt mir Fernerkundung?

  • Monitoring und Modellierung
    • Wissenschaft: z.B. Entwicklung im Kontext von Klimawandel
    • Wirtschaft: Bestandsentwicklung, Zunahme von Nutzholz, ...
  • Inventur und Statistiken
    • Bestandsaufnahme
  • Katastrophenschutz (Waldbrände, Erosion/Lawinen, ...)
  • Totholzerkennung
  • Waldstruktur

Fernerkundungsdaten werden auf nationaler und kantonaler Ebene, sowie von Forstbetrieben und privaten Planungsbüros genutzt. Die Nutzungsintensität ist sehr unterschiedlich, nimmt aber tendenziell zu, begünstigt durch das immer grössere Angebot und den einfacheren Zugang zu Daten, Software und Wissen. Der Mehrwert von Fernerkundung wird in der Praxis verstärkt wahrgenommen und das Interesse ist gross. Dies zeigen die regelmässigen Weiterbildungsveranstaltungen (FOWALA, ETH Montagskolloquium) mit hohen Teilnehmerzahlen, die höhere Gewichtung von Fernerkundung bei Neuanstellungen (z.B. bei den Kantonen) und in der Grundausbildung an Hochschulen (z.B. HAFL, EHTZ).

Typische Anwendungsfelder sind die forstliche Planung, die Berichterstattung, die Vollzugskontrolle, die Beantwortung von raumbezogenen Forschungsfragen und die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für die Politik. Flächendeckend haben mindestens die fernerkundungsbasierte Waldabgrenzung, die Schätzung des Mischungsgrades und der Vegetationshöhe die Produktreife erreicht. Im Alltag unterstützen Fernerkundungsdaten die Vorbereitung von Feldarbeiten, die Orientierung im Wald, die visuelle Dokumentation (regelmässige Nachführung von Luftbildern) und dienen dazu, sich bereits im Büro ein Bild über die Situation im Wald zu verschaffen (z.B. Waldrecht/Waldränder). Vereinzelt oder versuchsweise wird Fernerkundung auch im Zusammenhang mit Waldschutzproblemen (Sturmschäden, Borkenkäfer) und im Gebirgswald (z.B. Seillinien, Stammzahl, Lücken; siehe Zürcher et al (2018)) eingesetzt.

In den Interviews wurde mehrmals angemerkt, dass die Daten einen hohen Detaillierungsgrad, eine hohe Genauigkeit und Aktualität haben müssen, um den Ansprüchen des naturnahen Waldbaus gerecht zu werden. Teilweise wird dies bereits jetzt mit hochdetaillierten LiDAR-Daten (z.B. Kanton Neuenburg) und aktuellen Satellitenbildern (fast täglich) erfüllt.

Datenverarbeitung

Visuelle Überprüfung

Fernerkundungsdaten können visuell oder digital interpretiert werden. Die visuelle Bildinterpretation, z.B. durch am Computer dargestellte Stereoluftbilder, hat eine lange Tradition (Ginzler 2005). Für verschiedene Anwendungen ist diese Methode sehr effektiv. Beispiele sind die Ausscheidung von Bestandesgrenzen, Sturmflächen, Lücken oder Baumkronen. Grossflächige Analysen und die regelmässige Nachführung sind jedoch zeitaufwändig und teuer. Weitere Einschränkungen ergeben sich durch die Subjektivität der interpretierenden Person und die Schwierigkeit komplexe Daten, wie z.B. Zeitreihen, visuell auszuwerten.

Automatisierte Verfahren

Der Einsatz von automatisierten Verfahren ist daher sehr verbreitet. Oft werden statistische Schätzverfahren eingesetzt, um die „Pixel“ innerhalb einer Stichprobe (z.B. Stichprobeninventur) zu analysieren. Werden aussagekräftige Korrelationen zwischen der Zielgrösse (Vorrat, Stammzahl etc.) und den Fernerkundungsdaten gefunden, kann eine flächendeckende Vorhersage getroffen werden. Neben den klassischen parametrischen Ansätzen wie z.B. Regressionsmodellen werden vermehrt auch nicht-parametrische Verfahren und moderne Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens, wie z.B. «Random Forest» (Breiman 2001), eingesetzt. Es existiert eine Vielzahl von statistischen und nicht-statistischen automatisierten Verfahren. Die Methoden erstrecken sich von der Anwendung von räumlichen Filtern (z.B. die Einzelbaumerkennung; Menk et al 2017), der Berechnung von Vegetationsindizes, der Bildsegmentierung durch regelbasierte Algorithmen (Beispiel TBk - Toolkit Bestandeskarte) bis hin zu komplexen Zeitreihenanalysen (White et al 2017b). Photogrammetrie wird vermehrt für das Generieren von 3D Oberflächenmodellen verwendet, speziell dort, wo keine aktuellen LiDAR-Daten verfügbar sind (Ginzler & Hobi 2015).

Spektrale Indizes

Tools